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LESERBRIEF
Sechzehn Jahre nach Erscheinen des
Romans erreicht mich der handgeschriebene
dreiseitige Brief eines Lesers. Und der fällt
selten aufmerksam aus.
Fritz Hirzel, Komplize, Roman. Bei Limmat erschienen
unter dem Titel Schindellegi, Paperback, 308 Seiten,
Zürich 1988.
Zürich, 26. 05. 04
Sehr geehrter Herr Hirzel
Auf die Gefahr hin, dass mein Brief etwas anbiedernd
wirken könnte, möchte ich Ihnen trotzdem mitteilen, wie sehr
mir ihr Buch Schindellegi gefallen hat.
Zugegeben, meine Anerkennung kommt etwas spät,
rührt aber daher, dass ich meine Literatur meistens
aus 2. Hand beziehe. Die Enttäuschung über allfällige
Fehlkäufe hält sich auf diese Weise in Grenzen.
Umso grösser ist dafür die unverhoffte Freude über ein Buch
wie das ihrige!
Ein spannender, gut konstruierter Krimi, der nichts
an Aktualität eingebüsst hat. Gut gefällt mir auch
die präzise Lokalisierung der Geschehnisse, die der
Geschichte Authentizität verleiht. Wer ist noch
nie in Schindellegi gewesen oder zumindest vorbeigefahren!?
Was ich aber besonders bemerkenswert fand, sind
die Parallelen zu P. Highsmiths „Ripley–Büchern“, besonders
zu Der amerikanische Freund – eines meiner
Lieblings–Bücher.
Aus einem nur leicht verschobenen oder erweiterten
Blickwinkel kann man miterleben, was der zwar
durchaus lebenstüchtige aber sorglose Egoismus von
Max Flühmann (anstelle von Thomas Ripley)
für Auswirkungen auf etwas sensiblere Zeitgenossen
wie Bob Franey (stellvertretend für Jonathan
Trevanny und vielleicht auch Bernhard Tufts) haben kann.
Durch diese Verschiebung gewinnt das Buch
an Tiefe. Selbstverständlich ist auch der moralische Standpunkt
des Erzählers ein anderer als der von P. Highsmith.
Immerhin hat man als Leser bei der Identifikation die Wahl
zwischen Max oder Bob. Bei P. Highsmith steht
lediglich die Hauptfigur zur Verfügung.
Ich hoffe, Sie nehmen mir den direkten Vergleich
mit einem anderen weiter nicht übel und auch meine sonstigen amateurhaften Bemerkungen. Vielmehr würde es mich
freuen, Sie würden diesen Brief als Gratulation für ein tolles
Buch verstehen.
Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüssen
C. Z.
e–mail
lieber herr z.
meine freundin hat mir ihren brief vom 26. mai am telefon
vorgelesen, da war ich noch in berlin in meiner klause
am schreiben. jetzt bin ich in bern, er liegt in meiner post, ich
sehe ihre handschrift und danke fuer den schoenen brief.
ihre feststellungen sind praezise und richtig. ich muss
dazu sagen: es ist selten, dass ich so genau wiedererkannt
werde. die bemerkung zu patricia highsmith trifft zu.
ich hab sie gelesen. ich bedaure im rueckblick nur, dass sie
nicht beim stoff ihres amerikanischen erstlings geblieben
ist, der liebesgeschichte zweier frauen. zutreffend ist weiter,
was sie zu den zwei figuren in "schindellegi" anmerken.
das zeigt sich auch darin, dass der roman fuer mich einen
anderen titel gehabt hat und noch immer hat. er heisst
"der komplize" .
ihr brief belegt, dass es den leser noch gibt.
das hat mich sehr gefreut. fuer mich als schreiber ist das
nicht immer sicher.
mit herzlichem gruss
fritz hirzel
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