Komplize Leserbrief Roman lesen weiter zurück
KAPITEL IX
Fritz Hirzel, Komplize, Roman. Bei Limmat erschienen
unter dem Titel Schindellegi, Paperback, 308 Seiten,
Zürich 1988.
Bob sah auf die Uhr. Halb drei. Er stand hinter dem Grill, der
bei der Mauer hinter dem Klubgebäude aufgebaut war, mit Blick
auf Rasen und Gehweg, auf dem sich niemand aufhielt.
Neben ihm stand Flühmann. Er sagte:
„Ich hab eigentlich damit gerechnet, dass Palmieri sich
bei mir blicken lässt.”
„Und er ist nicht gekommen?”
„Nein.”
Bob sah ihn an. Die Leute waren nebenan versammelt,
keine zwanzig Meter weiter, bei Platz eins, auf dem noch immer
gespielt wurde.
„Umso besser”, sagte Bob.
„Wenn Palmieri nach mir fragt, ich bin auf Platz sechs,
bis vier Uhr. Kannst du ihm das sagen?”
Nein, bloss das nicht! Bob sah, wie Flühmann über den
Gehweg davonging. Er blieb am Grill stehen, als hätte
die Erwähnung Palmieris etwas aufgewirbelt, das ihm überaus
missfiel. Hatte er sich etwas vorzuwerfen? Nein, das
glaubte Bob nicht. Die Geräusche, nebenan auf Platz eins.
Der Ball, der aufschlug, die Schritte, leichtfüssig, rasch,
um seine Flugbahn zu erlaufen, ein Tritt oder ein Fehltritt, der
Schuh eines Spielers, abrupt gestoppt, rutschend.
Ein Ah–h! zugedeckt vom Applaus der Leute, die auf der Terrasse
standen oder sassen. Bob blieb, wenn er an Palmieri
dachte, ein ungutes Gefühl, das er nicht los wurde. Erging
es so einem Überläufer? Fehlte es ihm an der nötigen
Begeisterung, auf der Gegenseite rnitzumachen?
Knappes Stimmengemurmel. Ein Stuhl, der gerückt wurde.
Erneut gespannte Aufmerksamkeit. Bap–Tap, Bap–Tap,
Bap–Tap, Bap–Tap, Bap–Tap. Hin und her, immerzu, als gäbe
es in diesem Spiel kein Ende. Bob nahm den Sack mit
der Holzkohle, einen Zehn-Kilo-Sack, und trug ihn um die Hausecke.
Er staubte, als Bob ihn absetzte. Ob das Wetter halten
würde? Nicht ganz harmlos, der Wind; der Himmel sonnig,
teilweise bewölkt. Beim Zurückgehen sah Bob, dass
er Gesellschaft bekommen hatte. Er klatschte den Kohlestaub
von den Händen.
Die von Orellis! Die zwei Mädchen hielten sich unter
der grossen hohen Erle auf, die nicht weit vom Grill entfernt stand.
Olivia lutschte missmutig an einem Jolly und blickte zu Bob
hin. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte sie etwas, über das sie
unbändig lachen musste. Henrietta, ihre ältere Schwester,
hielt den Baumstamm umklammert, die Augen geschlossen, ein
Bein angewinkelt.
Olivia sagte: „Ein Frosch frisst, wenn er Hunger hat, den
anderen – einfach, weil der andere kleiner ist. Das ist für einen
Frosch kein Problem.”
Jetzt kam sie mit ihrer Schwester über das Rasenstück
heran. Olivia baute sich vor dem Grill auf, runzelte
die Stirn und betrachtete die Bratwürste, als hätte sie seit Tagen
nichts zu essen bekommen. „Gibst du mir eine?”, fragte
Olivia. Neun Jahre Erfahrung und Neugierde sahen Bob an.
„Bloss eine. Für uns zwei.”
Papa wird stolz auf sie sein, dachte Bob. Die Kleine
trägt Sorge zu seinem Geld! Er fragte: „Und was bekomm ich
dafür?”
„Ein Versprechen, Bob. Grosses Ehrenwort, aber –”
Sie lachte verlegen.„Dafür müsst ich zwei Würste haben, für
Henrietta auch eine.”
„Ein Versprechen?”
„Ja, Bob. Das hast du auch bitter nötig, Wenn du hier
noch ein bisschen bleiben willst.”
„Nein, wie rührend.”
„Sind bös verbrannt, die beiden. Findst nicht, Bob?”
Mit spitzem Finger zeigte Olivia auf zwei Bratwürste, die sich
auf dem Grill zu krümmen begannen. „Die zwei, und
ich sag’s niemandem, was ich gestern gesehen hab. Es bleibt
unter uns, Bob.”
„Gestern?”
„Ja, hinter dem Klubhaus. Mit dem Abfall bist du zum
Container gegangen, an den Duschenfenstern vorbei.” Olivia
zupfte an den Trägern ihrer Latzhose. Sie blickte Bob
herausfordernd an, die Mundwinkel halb lachend. „Ich kann’s
natürlich auch Herrn Zumsteg sagen, wenn dir das lieber ist.”
„Nur Pech, dass es der Platzwart gewesen ist, der
gestern den Abfall versorgt hat.”
„Was?”, rief Henrietta. Es war Bob nicht entgangen,
wie Henrietta ihn aus sicherem Abstand beobachtet hatte.
„Mit Bob willst du ein Geheimnis haben? Das find ich
echt daneben, aber echt! Wart nur, das wird Mama interessieren,
wenn sie fertiggespielt hat.” Der Sinn für Nuancen!
Er kam etwas zu spät, fand Bob. Aber immerhin, die Geste
der Entrüstung stand Henrietta ausgezeichnet.
Olivia erwiderte: „Das getraust du dich doch nicht
zu sagen.”
„Und ob ich mich das getraue.”
Dr. Hugelshofer war an den Grill getreten, um für sich
und seine Frau Koteletts auflegen zu lassen. Er sagte:
„Wirklich, Bob. Eine reizvolle Gesellschaft, die Sie da haben.
Zwei so hübsche Nager!»
„Pfuuhhh! Selber Nager!”, protestierte Olivia, aber
Henrietta wandte nur den Kopf, sah Bob gelangweilt an und
warf ihr Haar zurück. „Reizvolle Gesellschaft” , sagte sie
spöttisch, als Dr. Hugelshofer verschwunden war. Nebenan
ertönte wieder Applaus, aber diesmal kam Bewegung
in die Leute auf der Terrasse.
Gleich geht’s los! dachte Bob. Es hat lange genug
gedauert. Sekunden später war sein Stand von Leuten umlagert.
Einige Mitglieder, von Gasten begleitet, konnten sich
nicht entscheiden. Andere begannen zu reklamieren, weil sie
nicht bevorzugt bedient wurden und warten mussten.
Von hinten rief ein junger Mann: „Hat’s keine Entrecotes?”
Und die Roy, die zufällig daneben stand, erwiderte:
„Die Würste wären schon recht, aber der dahinter, der ist nichts.”
Die hat’s nötig, dachte Bob. Sich hier in Szene
zu setzen! Er liess das Geld, das er in der Hand hielt, in die
Kasse fallen. Olivia tappte mit den Fingern nach einem
der Koteletts, das Bob beiseite rückte. Sie machte ein
verächtliches Gesicht. Bob drehte eine der Würste. Gut. Er gab
sie in das Einwickelpapier. „Was sind Sie denn für ein
Landsmann?”, fragte der Herr, der die Wurst entgegennahm.
„Ein Schotte?”
Henrietta knallte mit dem Sonnenschirm gegen die
Tischkante und kippte mitsamt dem Ständer zurück. Sie lachte,
die Beine gespreizt. „Kinder”, rief Bob. „Geht ein bisschen
vom Stand weg, sonst werdet ihr auch noch gegrillt.”
„Nicht ohne Wurst.” Unüberhörbar der trotzige, geradezu
beleidigte Unterton, den Olivia anschlug. Sie kaute
am rechten Daumennagel. „Ein Schotte, ja.” Olivia strahlte.
„Genau das ist er.”
Das gebleckte Gebiss, dann der Herr mit dem Toupet,
dann die Roy. Bob sah nur noch Würste. Das Entrecote,
fand der junge Mann jetzt, war doch zu teuer. Es gab Würste,
die eingeschnitten und aufgelegt, andere, die vom Feuer
genommen, andere wieder, innen noch kalt, die näher ans Feuer
heran mussten. Es gab Hände, Geld, Bratwürste,
Gesichter, Ratschläge, Geld, Hände, Servelats. „Und Senf?”,
fragte jemand. „Einfach obendrauf drücken”, sagte
Bob. „Sie stehen direkt davor.” Er hatte den Wurstgeruch
in der Nase, am Körper, auf der Haut, in den Kleidern,
Holzkohlerauch, vermengt mit dem Saft gebratener Servelats,
ein Geruch von Verbranntem, der Bob jeden Appetit
nahm. Das Hemd klebte ihm am Leib. Bob sagte: „Brot hat’s
im Korb.” Er wusste nicht, zum wievielten Mal. Die Stirn,
die Haare. Bob war vor Hitze klebrig nass. Allmählich verliefen
sich die Leute.
Hinzu trat Direktor Saladin, der sich „für später” einen
Servelat reservieren liess, einen „Klöpfer”, wie er sagte, „gut
durchgebraten”. Der Wunsch, bescheiden, freundlich
vorgebracht – heisst das, dass ich in zwei Stunden ein einsames
Würstchen für Direktor Saladin zu braten habe? fragte
sich Bob. Er hatte gelernt, dass sich die Mitglieder einen Spass
daraus machten, selbst im Klub dieses oder jenes
„reservieren” zu lassen, vorzubestellen oder sich auf etwas „eine
Option zu sichern”, und sei’s auf eine Servelat vom Grill.
„Ein Muffel bist du”, sagte Olivia. „Ein Langweiler!”
Direktor Saladin hatte sich entfernt, nur Henrietta war noch
da. Und Olivia natürlich. Das Biest! Bob legte den
Schürhaken beiseite. Um Olivia loszuwerden, musste er mit
der Wurst herausrücken, aber das wollte Bob nicht.
Thomy marschierte auf, die Hände wie zur Trompete
geformt. „Achtung, Achtung!”, rief er. „Das grosse Preisschiessen
findet heute bei Bobs Grill statt!” Die Zielscheibe stellte
Thomy an Bobs Tisch. Er trat ein paar Schritte zurück, warf sich
in Stellung und spannte den Bogen. Sein Pfeil blieb
im Brotkorb stecken.
„Thomy, ich mach den Wurststand hier, nicht den
Kindergarten. Nimm den Pfeil und hau ab”, sagte Bob. Und
er sagte es so gelassen, wie der Ärger, der in ihm
hochstieg, es zuliess.
„Ich hab mehr Recht hier zu stehen als Sie!” Thomy hielt
den Arm ausgestreckt, seine Stimme überschlug sich.
„Ich bin im Klub, Sie nicht!”
„Interessant.”
„Kindergarten, Kindergarten”, johlte Olivia. Sie zielte
direkt auf Bob. Ein flutschender Laut. Der Pfeil, vom Kühlschrank abgeprallt, lag zu Bobs Füssen. Mit einem süssen Lächeln
erschien Frau von Orelli, und mit Mama zogen sie ab. Alle drei.
„Bob?”, rief Dr. Hugelshofer. „Haben Sie meine Koteletts
immer schön im Auge?” Er wollte sie gleich mitnehmen.
Er hatte es eilig. Bei Platz eins standen und sassen die Leute
erneut. Das nächste Turnierspiel hatte begonnen.
Bob war allein. Endlich Gelegenheit, Holzkohle nachzufüllen.
Das Feuer war ein wenig schwach geworden. Als Bob mit
dem Sack zurückkam, stand Palmieri beim Tisch mit der Kasse.
„Und Flühmann?”, fragte Palmieri. „Ist Flühmann hier?”
„Er hat Platz sechs”, sagte Bob. „Bis vier Uhr.” Es war genau
das, was Bob nicht hatte sagen wollen. Palmieri runzelte
die Stirn. „Ach ja? Flühmannglaubt, er kann mich hängen lassen,
aber da hat er sich getäuscht. Das stimmt doch, dass
er hier ist?” Palmieri sah überrascht aus, aber das Misstrauen
in seinem Blick verflüchtigte sich.
Ich muss Palmieri los werden, dachte Bob. „Mir scheint,
Sie wollen das gleiche wie gestern. Wie wär’s, wenn Sie mir sagen
würden, um was es eigentlich geht, Mr. Palmieri?”
„Geld.”
Niemand war zu sehen. „Und Flühmann?”, fragte Bob.
Dass Palmieri darauf einging, erstaunte Bob. „Sie sagen Geld,
aber was hat Flühmann damit zu tun?”
„Er bringt’s hierher. Hier wird’s gewaschen. Geld ist Geld,
aber manchmal stimmt mit der Herkunft nicht alles.”
Dirty money, dachte Bob. „Ist es nicht Flühmanns Geld?”,
fragte Bob.
„Nein, er hat’s von einem Mr. Winter. Das Geld kommt
aus New Jersey. Toxic Waste Industry.”
„Die Spur des Geldes –” Bob lächelte ängstlich. „Und Sie
gehen ihr nach.”
„So, jetzt ist genug gequatscht», sagte Palmieri. Seine
Stimme war schneidend geworden, schneidend und unerbittlich.
„Keine Faxen! Pfoten hoch! An die Wand!”
Bob spürte die raschen unzimperlichen Griffe, mit denen
Palmieri seine Achseln und Beine abtastete. Ein harter
stumpfer Gegenstand traf Bob im Rücken. Er hätte aufschreien
mögen vor Schmerz.
Palmieri trat zurück. Er sagte:
„Wie wär’s, Mr. Franey, wenn Sie mir nun zeigten, wo die Garderobenräume sind?”
Bob schielte nach dem Rasen, dem Gehweg. Niemand.
Es war so lächerlich! Bob ging voraus, Palmieri folgte ihm. Sie
erreichten den Vorraum, der wie ausgestorben war. Bei
der Treppe blieb Palmieri stehen. Bob drehte sich um, aber
Palmieri drängte ihn weiter, die Treppe hinab.
„Los, Weiter.”
Was macht Palmieri, wenn Leute da sind? dachte Bob.
Keine drei Meter vor ihnen wurde die Türe aufgerissen, die links
zu den Garderoben führte. Dr. Gränicher trat heraus,
in Shorts, Schläger in der Hand.
Bob lief an Dr. Griinicher vorbei, als müsste er nach unten,
ins Mannschaftszimmer. Palmieri kam hintennach, bei
jedem Schritt spürte ihn Bob. Ob er einen Blick zurückwerfen
konnte? Oben, beim Treppenabsatz, war Dr. Gränicher
stehen geblieben. Er schaute ihnen nach, als wollte er fragen:
Suchen Sie jemanden? Unten war die Tür angelehnt.
Bob machte Licht und trat ein.
„Das ist das Mannschaftszimmem, sagte er zu Palmieri.
Einfach, um etwas zu sagen.
Palmieri steuerte geradewegs auf den Sitzungstisch zu.
Und jetzt? Bob hörte, wie oben im Parterre das
Telefon läutete. Palmieri warf den Kopf herum. Er lachte böse. Niemand, der das Telefon abnehmen wollte.
„Sie haben gesehen, die Garderoben –” Bob zeigte mit
der Hand nach draussen, zur Treppe. „Das ist die Tür,
an der wir vorbeigekommen sind.”
„Ja, hab ich”, sagte Palmieri. „Und was ist das hier? Soll das
eine Falle sein?” Er hielt das Brotmesser in der Hand, das
auf dem Tisch gelegen hatte.
„Wieso Falle?” Nein, nicht mit dem Messer! dachte Bob.
Er wich zurück.
Palmieri schob das Kinn vor.
„Wissen Sie, wo Flühmann sein Zeug hat?”
„Nein.” Bob machte einen Schritt zur Seite. Seine Hände
waren feucht. „Sagen Sie, was soll das?”
„Hübsches Messer.” Palmieri trat auf Bob zu, das Messer
in der Hand.
Bob starrte zur Tür. Nein, er fand das nicht lustig.
„Was wollen Sie?”, fragte er. Die Kehle war ihm wie
zugeschnürt.
„Wir werden ja sehen, wo er sein Zeug hat.”
Wenn Dr. Gränicher herunterkäme! überlegte Bob. Hinter
Palmieri sah er einen Schatten, eine Gestalt – Flühmann,
um Gottes willen. Flühmann war zum Tisch gelaufen. Er langte
nach etwas. jetzt holte er damit aus, den Arm
hochgeschwungen. Palmieri fuhr zusammen, drehte sich
um. Der Schlag traf Palmieri seitlich am Kopf, dass
es krachte. Das Messer fiel zu Boden. Palmieris Fäuste,
hochgerissen, sackten herab, sie packten Flühmann
am Nacken, am Hemdkragen, aber sie waren ohne Kraft. Mit aufgerissenen Augen, wie in einer Umarmung klammerte
Palmieri sich fest – als tanzte er mit Flühmann, als
begreife Palmieri nicht, was geschah.
Er schlägt ihn tot! dachte Bob. Er wollte fort, hinaus ins
Freie, um sich zu übergeben, bloss weg. Warum nimmt niemand
das Telefon ab? dachte Bob. Das Telefon, das nicht
aufhört zu läuten. Und ich hier, nein –
„Dreckskerl, verdammter!” Flühmann befreite sich
mit einem Ruck aus der Umklammerung. Palmieri keuchte und
ruderte mit den Armen. Er taumelte und riss Flühmann
mit sich. Sie prallten dumpf zu Boden. Palmieri lag unten, hielt
Flühmann an der Schulter gepackt. Erneut schlug
Flühmann zu; er hatte eine Hand frei, traf Palmieris Stirn,
hämmerte mit blinder Wut, das Ding in der Hand –
wie eine Maschine, nicht zu stoppen.
Entsetzen packte Bob, als er sah, wie Palmieri ausgestreckt
auf dem Spannteppich lag, Schrammen und Beulen an der
Stirn, mit offenem Mund, wie gelähmt, die Augen geschwollen.
„Das Tuch!”, rief Flühmann. „Er blutet.” Er beugte sich über
Palmieris Kopf, den er stützte und festhielt.
Das grüne Tuch. Gefaltet lag es auf einem der Klappstühle.
Bob griff danach, hielt es Flühmann hin.
„Hier”, sagte Bob. Ihm war schlecht.
Flühmann nickte.„Kannst du’s aufmachen?”
Das Tuch war ein Transparent. Sportartikelwerbung.
Dasselbe, das bei Platz eins draussen am Drahtgitter
hing. Bestimmt vier Meter, fand Bob, als er das Tuch entfaltete.
Es warb für einen Tennisschläger. Erfolge sind kein Zufall,
stand drauf. Bob gab Flühmann das Ende.
„Mein Gott”, sagte Bob. „Du hast ihn umgebracht.”
Der Aschenbecher aus massivem Glas! Das war’s gewesen.
Er lag neben Palmieri am Boden. Damit hatte Flühmann –
„Den da?”, sagte Flühmann. „Um den ist’s nicht schade.”
Flühmann hielt das Tuch gerafft in der Hand. Sein Gesicht war
gesenkt, der Mund halb offen, als ringe er nach Luft.
Flühmanns erster Schlag, der von hinten, dachte Bob.
Jenes fürchterliche Krachen! Der Treffer muss jede Abwehr ausgeschaltet haben. Flühmann hielt Palmieri nun im
Rücken fest. Er hatte ihn aufgesetzt. Palmieris Oberkörper
hing schlaff herab. Das ist alles nicht wahr, dachte Bob.
Er sah, wie Flühmann angestrengt versuchte, Palmieris Schädel
in das Tuch zu wickeln, das als Bandage viel zu breit war.
„Ist sie zu?” Flühmann zeigte auf die Gefriertruhe.
„Ich hab den Schlüssel”, sagte Bob. Seine Hand zitterte.
Neben ihm begann Flühmann nun auch Palmieris Oberkörper
einzuwickeln, nur die Arme liess er frei. Das Telefon
hatte aufgehört zu läuten. Bob versuchte, die Gefriertruhe
aufzuschliessen. Nein, das geht nicht. Von draussen
war Applaus zu hören. Was hat Flühmann vor? Er will doch
mit Palmieri nicht – Endlich! Die Gefriertruhe war auf.
Bob klappte den Deckel hoch.
„Wie sieht’s aus?”, fragte Flühmann. „Meinst du, es geht?”
Der Tonfall verriet Entschlossenheit.
Will Flühmann tatsachlich –! Bob wurde unsicher. Er machte
mit der Hand eine abgebrochene Bewegung. Unglaublich!
Bob sagte:
„Hier hat’s Fleisch drin. Max, das geht nicht, du bringst
ihn nicht hinein.”
„Ach was, das geht schon.”
„Mit Kopf und Beinen?”
„Du?” Ungeduldig sah Flühmann auf. „Eine andere Lösung
seh ich nicht. Wir müssen’s versuchen. Kannst du mir
helfen, Bob? Der Dreckskerl ist schwer. Ich kann das nicht allein.”
„Mir ist schlecht”, sagte Bob.„Ich –” Er trat näher.
„Du musst vorn anfassen, bei den Beinen.” Flühmann
kniete hinter Palmieri. Links und rechts hielt er Palmieri bei den
Hosensäcken. „Pass auf, der Spannteppich!” sagte Flühmann.
„Er darf uns den Teppich nicht –”
Bob kauerte bei Palmieris Füssen. Das könnte genausogut
ich sein! Er kippte leicht. Ihn schauderte, als er Palmieris
Oberschenkel und Kniekehle anfasste.
„Gut”, sagte Bob. „Ich bin soweit.”
Flühmann gab das Kommando. Wo nimmt er die Kraft
her? dachte Bob. Sie hoben Palmieri hoch. Bob hielt vorn,
Flühmann hinten. Flühmann sagte:
„Verdammt, die Sau ist schwer.”
Die eleganten kleinen Schuhe! dachte Bob. Sie wirkten
so leicht und wippten, als Bob den ersten Schritt tat.
Palmieri war wirklich schwer, fand Bob.Dabei waren es bis
zur Gefriertruhe bloss ein paar Schritte.
„Moment.” Flühmann warf einen Blick hinein. „So
geht’s nicht, Wir müssen ihn drehen.” Er tönte angestrengt,
die Stimme gepresst.
Bob wendete. Füsse voran.
„So ist es gut”, sagte Flühmann, als sie umgekehrt standen.
„Und jetzt hinein mit ihm.”
Bob musste zuerst auspusten. „Eine Sekunde”, sagte er.
„Okay?”, fragte Flühmann, selber keuchend.
Bob nickte.
„Jetzt!”, sagte Flühmann tonlos. Gemeinsam lupften
und stemmten sie, um Palmieri über den Rand der Gefriertruhe
zu heben, aber der schlaffe Körper war stärker.
„Mein Gott, ist er schwer”, wiederholte Flühmann. „Komm,
wir setzen ihn ab.”
Etwas Fremdes berührte Bob im Nacken. Nein! wollte
er rufen, hielt aber an sich. Palmieris Arm fiel zurück. Sie hatten
seinen Körper jetzt abgesetzt.
„Er hat so kleine Füsse», sagte Bob. Er richtete sich auf,
erschrocken über die banalen Worte. Die Hand schmerzte ihn,
mehr noch der Rücken.
Neben ihm stand Flühmann. „Ich muss ihn heute Nacht
hier wegbringen. Kannst du mir helfen?” Flühmann atmete rasch.
Er machte den Versuch sich aufzurichten.
Bob nickte. „Ihn umbringen”, sagte er. „Das hast du von
Anfang an gewollt, nicht wahr? Das war dir klar, als du ihn hier
unten sahst?”
„Ich hatte keine Wahl”, sagte Flühmann. Er sah Bob an.
„Kannst du nochmals anfassen?”
Sie hoben Palmieri in die Gefriertruhe hinein.
Hastig durchsuchte Flühmann seine Taschen; sie hatten
Palmieri hingesetzt, Beine angezogen, Kopf und Oberkörper schräg,
wie aufgestützt. Flühmann nahm Brieftasche, Pass und
Mietwagenschlüssel an sich, ebenso ein Stück Draht, einen
Schraubenzieher, der scharf zugefeilt war. Was hat
Palmieri damit gewollt? dachte Bob. Flühmann sagte:
„Palmieri ist mit der – er ist verhängt mit der Genovese
Family. Hast du das nicht gewusst?”
„Nein.” Bob schwankte. Ist das die Mafia? Er zog seine
Hände zurück, als sei der Tote wieder lebendig. Palmieri sah aus,
als liege er in einer Badewanne. Der Anzug, schwarz,
massgeschneidert; das Transparent, künstlich grün, ihm Oberleib
und Kopf verhüllend. Aus der Gefriertruhe ragte nur das
linke Knie noch heraus. Widerspenstig.
„Nein”, sagte Bob. „Nein, das hab ich nicht gewusst.”
„Macht nichts, aber jetzt weisst du’s. »
Organized crime, überlegte Bob. Was hat Flühmann mit
solchen Leuten zu tun? Bob senkte seinen Kopf in die
Gefriertruhe. Er griff rasch nach einigen Packungen mit Würsten,
um sie nach draussen mitzunehmen. Augenblicklich
sprang das Knie von Palmieri zurück, und Flühmann liess
den Deckel zuschnappen.
„Hier”, sagte Bob. „Der Schlüssel.”
„Und Fränzi?” Flühmann seufzte, als er die Truhe abschloss.
„Muss sie heute Nachmittag da runter?”
„Möglich.”
„Flühmann hob den Arrn hoch, als sei er ihm schwer
geworden. Er fuhr mit dem Handrücken über die Stirn.
„Er muss unter Verschluss bleiben”, sagte er mit fester Stimme.
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