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KABARETT DER KOMIKER


Braucht Teddy Stauffer eine Sekretärin,

findet er sie am Ku‘damm – im Kabarett der Komiker,

gleich neben der heutigen Schaubühne am

Lehninerplatz, die als Kino Universum erbaut worden

war. Architekt ist Erich Mendelsohn.



              Fritz Hirzel, Delphi, Berlin.Teddy Stauffer 1936–1939.

              282 Seiten, bebildert. Kaleidoskop. Paperback.

              Zürich 2001.


Dienstag, 13. September 1938.

      Teddy Stauffer reichts.

      Gegen den Vermittler einer Stellenagentur der

Reichsmusikkammer verwahrt er sich entschieden.

      „Teddy Stauffer, Kapellmeister, z. Zt. Femina, Berlin W.“

      Er setzt einen maschinengeschriebenen Brief auf.

      Mit Nachdruck.

      An „Herrn Diem, Chef der Zentralstellenvermittlung

für Unterhaltungskapellen, Friedrichstrasse 24, Berlin SW 68.“

(Der Brief von Teddy Stauffer gehört zu den Beständen

des Berlin Document Center, die von den Amerikanern 1994

ans Bundesarchiv übergeben worden sind.)

      „Sehr geehrter Herr Diem

      Bezugnehmend auf meinen heutigen Anruf mache

ich ihnen folgende Mitteilung:“

      „Herr Scholz, Hamburg, Vermittler Ihrer

Zentralstellenvermittlung –“ Gemeint ist „Werner Scholtz,

Hamburg 1, Burchardstr. 20, Fernsprecher 33 22 30“,

wie’s im Stempel heisst, mit dem er Papier mit Briefkopf der

„Zentral-Stellenvermittlung für Ensemble-Kapellen der Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer“ versieht.

„– versucht seit längerer Zeit, die Solisten meiner

Kapelle wegzuengagieren, trotzdem er weiss, dass diese

Musiker alle bei mir seit Jahren ununterbrochen

beschäftigt sind und alle sehr hohe Gagen verdienen.“

      „Ich finde es unfair von Herrn Scholz, nachdem er früher

selbst Musiker war und eigentlich wissen sollte, wie

schwer es ist, eine grosse Kapelle zusammenzuhalten, hinter

meinem Rücken meine besten Kräfte durch Briefe,

Telefonate sowie persönliche Aufforderungen zu veranlassen,

ihr Engagement bei mir aufzugeben, um in einer

Hamburger Bar zu arbeiten, wo weniger Dienst (nur Abenddienst)

und viel mehr wie bei mir zu verdienen wäre.“

      „Es handelt sich hier hauptsächlich um meinen

Schweizer Pianisten Bertinat und jetzt um den Ungarn Bujka.

Beim letzteren habe ich ab 1. Dezember 1938

gegen eine Plazierung von Seiten Herrn Scholzes nichts mehr

einzuwenden. Aber solange hat Bujka mit mir einen

Vertrag, was auch Herrn Scholz bekannt ist.“

      „Ich möchte gerne wissen, wer Herrn Scholz eine

Berechtigung gibt, betreffe einer Lösung des Vertrages zwischen

mir und Bujka mit meiner Direktion in der Femina

zu verhandeln?“

      „Ferner, der letzte Versuch, plötzlich mein heute noch

nicht ganz einwandfreies Repertoir als Grund zum

Weggang anzugeben, ist etwas so Feiges, dass ich Ihnen

mitteilen muss, dass ein Wechsel von meiner Kapelle

nach dieser Hamburger Bar punkto Musik und Repertoirauswahl

nur eine Verschlechterung sein kann. Die Musik und

die Schlager, die dort gespielt werden, sind mir sowie Herrn

Scholz bestens bekannt. Bei mir bist du schön usw.

waren an der Tagesordnung, eine deutsche Nummer wurde

dort nie gespielt. Das sind Sachen, die ich mir als

Ausländer nie –“ Das Wort schreibt Teddy Stauffer gesperrt.

„– erlaubt habe, auch wo hier in Deutschland noch

kein Mensch wusste, dass es einen Schlager gibt Bei mir bist....,

hatte ich bereits ein Plattenarrangement im Repertoir,

das wir für eine Privatbestellung für England auch aufgenommen haben, ohne jedoch hier in Deutschland zu verwenden.“

      „Trotzdem schuldigt mich Herr Scholz bei meiner Direktion

in der Femina an, diesen Schlager gespielt zu haben,

im Glauben, er könne dadurch einen fristlosen Weggang meinem

Musiker Bujka ermöglichen.“

      „Wie kann Herr Scholz als Ihr Vertreter mit Ihrem

Briefpapier mir Angebote machen und gleichzeitig versuchen,

Musiker von mir wegzuengagieren. Sein letztes Angebot

erhielt ich nach Belgien, datiert 23. 7. 38, Zeichen Sch. 298,

betrifft Faun-Casino.“

      „Da ich gegen Herrn Scholz seit meinem letzten

Hamburger Gastspiel, wo auch die erwähnten Sachen ihren

Anfang nahmen, erbost bin, habe ich seine Angebote

nicht beantwortet. Herr Scholz kam aber letzte Woche wieder

nach Berlin, um mit Bujka zu verhandeln, sowie meine

Direktion aufzusuchen und anschliessend noch das Herz zu

haben, mich über ein Hamburger Gastspiel zu befragen.

Über Bujka ist inzwischen auch noch mein Sänger (der dritte

Ausländer) gefragt worden, mit nach Hamburg zu

fahren. Herr Scholz kann doch nur entweder versuchen, meine

Kapelle auseinander zu bringen oder meine Kapelle

wie er sie kennt zu plazieren. Auf ehrlichem Wege dürfte

wohl beides zusammen kaum möglich sein. Wie

wäre es, wenn Herr Scholz seine grossen Angebote auch

mal einem meiner Deutschen Musiker machen

würde, ich habe einige sehr gute Deutsche.“

      „Die faule Ausrede, er habe gehört, dass die betreffenden

meine Kapelle sowieso verlassen (was ausser Bujka

am 1. Dez. 38 nicht zutrifft), ist auch nicht sehr angebracht.

Herr Scholz als ,mein zukünftiger Vermittler´ kann

sich ja nur in seinen Briefen N. B. bei mir über meine Musiker

erkundigen. Es gibt ja nicht nur gute Barmusiker

in meiner Kapelle. Falls es absolute Notwendigkeit sein

sollte, könnte ich für Herrn Scholz ein Dutzend

Barsolisten importieren, aber meine Musiker soll er bitte

in Ruhe lassen.“

      „Ich reise seit 10 Jahren mit einer Kapelle und hatte

immer den grössten Teil mit Deutschen Musikern besetzt und

bin auch zu zwei Dritteln dauernd im Auslande tätig.

Ich habe Musiker, die zehn, acht, fünf usw. Jahre bei mir

sind. Es gibt sehr wenig Orchester, die unsern

Aufstieg und Erfolg gemacht haben. Im Auslande habe ich

manchen Kampf für meine deutschen Mitglieder

ausgefochten. Auch habe ich verschiedentlich grossen Lügen

über das dritte Reich erfolgreich gegenübergestanden.

Durch meine Erfolge habe ich hier in Deutschland viel Freunde

erworben, die mir ermöglichen, falls es zu einem Streit

zwischen uns oder der Reichskulturkammer kommen sollte,

meine Orchestergeschichte an höchster Stelle

vorzubringen. Wir können dann abwarten und von dort

beurteilen lassen, ob Herr Scholz oder ich

nationalsozialistische Ideen vertreten.

      Hochachtungsvoll

      TEDDY STAUFFER“

      Jawoll, Grossbuchstaben. Kein Heil Hitler.

Hochachtungsvoll. Und Bertalan Bujka bleibt, als sei nichts

gewesen, bei den Original Teddies.


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