Delphi, Berlin Location Bild & Clip weiter zurück
GORKI THEATER
Den Swing von Teddy Stauffer zeichnet
Telefunken auf. Als Tonstudio benutzt sie die
Sing-Akademie, Am Festungsgraben, Unter
den Linden, heute Gorki Theater. Und gleich die
erste Platte, Goody Goody, wird ein Hit.
Fritz Hirzel, Delphi, Berlin.Teddy Stauffer 1936–1939.
282 Seiten, bebildert. Kaleidoskop. Paperback.
Zürich 2001.
Zwei Reichsmark kostet die Telefunkenplatte,
fünfzig Pfennig weniger als die der Konkurrenz. Die Leute sind
in Deutschland knapp bei Kasse. 180 RM im Monat hat
der Durchschnittshaushalt 1934.
Auf einer Werbeplatte von Telefunken schnarrt der
Sprecher 1936:
„An Tanzmusik, Unterhaltungsmusik, diese Kinder
der leichteren Muse, dürfen Sie bei Telefunken Schallplatten
denselben strengsten Massstab anlegen wie bei den
Schallplatten der klassischen Musik aus Konzertsaal und
Opernhaus. Der grosse Einsatz künstlerischer
Persönlichkeiten auf diesem Gebiet überrascht stets aufs neue.“
Teddy Stauffer kündigt er mit den Worten an:
„Tanzmusik internationalen Stils pflegen die Original Teddies,
das jüngste Orchester der Telefunkenplatte.“
Teddy Stauffer (in Es war und ist ein herrliches
Leben, Berlin 1968) erinnert sich:
„Am 14. Juli 1936 machte ich meine erste Platte, für
Telefunken. Nach den in Deutschland geltenden
Bestimmungen war es artfremde Musik – Goody Goody for Me
und Alone –, aber erstens wussten die zuständigen Leute
wirklich nicht genau, was zur deutschen Art passte, und zweitens
war man um diese Zeit wohl etwas grosszügiger: Die
ausländischen Olympia-Gäste rollten bereits an.“
„Ich wusste, dass mein Aufenthalt in Deutschland auch
diesmal nicht ewig dauern würde. Wir waren, als wir
am 1. Juli 1936 nach Berlin kamen, bereits ein in Europa
bekanntes und beliebtes Orchester.“
„Deshalb war es keineswegs ungewöhnlich, dass
Telefunken eine Platte mit uns machte. Sehr aussergewöhnlich
und völlig unvorhergesehen – sicher auch unvorhersehbar –
war, was aus dieser ersten Aufnahme wurde: der grösste Verkaufsschlager, den es in Deutschland bisher gegeben hatte.“
„Wenn eine Platte so einschlägt, hat man im
Schlagergeschäft in der Regel die erste und schwierigste Hürde genommen. Das Publikum hat damit bewiesen, dass
es diesen Schlager oder diesen Solisten oder dieses Orchester
oder diesen Komponisten will.“
„Das ist das Entscheidende. Die Schallplattengesellschaft
richtet sich danach. Sie nimmt einen grossen Teil des
Einspielergebnisses und macht damit jene Propaganda, jene
Werbung – wie man damals noch sagte –, die man heute
,Public Relations´ nennt.“
„Und damit ist man, wenn man anschliessend keinen
kalten Kaffee liefert, oben. Telefunken handelte nach diesem
Prinzip und verpflichtete uns, mit ihr alle amerikanischen
Hit-Parade-Songs zu machen.“
Teddy Stauffer ist am Ziel. Er ist 28jährig. Mit drei
Kumpels war er, zwanzig Jahre alt, 1929 nach Berlin gekommen.
Jetzt hat er ein 16-Mann-Orchester.
„Wir spielten im Delphi und in der Femina. Wir machten
tagsüber Plattenaufnahmen und Filmmusik. Unsere
Platten wurden in ganz Europa ein Riesengeschäft. Und wir
verdienten zum ersten Mal gut. Auf der Reliance hatte
ich eine monatliche Heuer von 450 RM gehabt. Jetzt bekamen
wir vom Delphi oder von der Femina pro Abend 200.
Wir kauften uns fast alle ein Auto.“
Ein Hudson Cabriolet fährt Teddy Stauffer.
Dienstag, 14. Juli 1936.
Erster Plattentermin. Singakademie, wo heute das
Gorki-Theater ist. „Im grossen Saal der Berliner Singakademie
wurden wegen seiner guten Akustik zahlreiche
Telefunken-Aufnahmen hergestellt.“ Robert Hertwig unterstreicht
das im Begleittext einer Telefunken-Reedition mit Foto.
In zwei Wochen beginnt die Olympiade, aber für die Original Teddies, die ihre erste Platte machen, beginnt sie jetzt.
„Goody Goody.“
Benny Goodman hat das Stück bereits auf Platte
aufgenommen. Soviel Leichtigkeit und Unsinn, das passt nicht
zu Nazistiefel und Inbrunst. Teddy Stauffer nimmt seinem
Klangkoloss die Schwere, rauht ihn auf und macht ihn leicht.
Billy Toffel singt: „Goody Goody for Him!“
Der Chor der Boys erwidert: „Goody Goody for You!“
Billy Toffel: „Goody Goody for Me!“
Der Chor der Boys: „Goody Goody for You!“
Billy Toffel: „And I hope you are satisfied....“
(Teddy Stauffers Memoiren, Es war und ist ein herrliches
Leben, hat Fritz Langour verfasst, der verschiedenste
Bücher veröffentlicht, unter anderem auch einen Titel wie Naturheilkunde – Langour ist kein Swing-Fan, er ist
ein Hitlerjunge gewesen, bei der Reichspogromnacht 1938
ist er elfjährig.)
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