Passagiere des Glücks weiter zurück
LACHYOGA
Lachgruppe im Park? Lachkonserve im TV?
Was haben die gemeinsam? Möglicherweise nicht
allzu viel, aber beide verbindet der Umstand,
dass ohne Grund gelacht werden kann. Oder soll.
Fritz Hirzel, Passagiere des Glücks. Wem Lachen auf
die Sprünge hilft. Essay. 140 Seiten. Berlin 2004
„Fresh“ ist auch die Lachgruppe, die aus Indien gekommen
ist. Männer über vierzig hauptsächlich, einige
Frauen und Kinder sind die ersten Teilnehmer. Dr. Madan
Kataria versammelt sie zu einer Lachgruppe,
um sieben Uhr morgens im Park.
Dabei hatte der Arzt nur etwas zum Thema „Lachen ist
gesund” schreiben wollen, ehe er sich für das Praktische entschied. Eine Viertelstunde hätten sie im Kreis gestanden, sich
Witze erzählt und gelacht, erinnert sich der Gründervater der Lachbewegung an die Anfänge, 1995 in Indien damals.
Das hätte vierzehn Tage lang mit wachsendem Erfolg
funktioniert, dann seien aber Witze aufgekommen gegen Minderheiten und vor allem Frauen, „altbackene, verletzende,
schlüpfrige Witze”. Der Mediziner aus Bombay verzichtet
deshalb auf Witze. Er hat kein Problem damit, ohne
Grund zu lachen.
„Es war evident, dass wir nicht von jemandem
abhängig sein konnten, der 365 Tage im Jahr Witze erzählt,
wenn wir jeden Tag lachen wollten.”
Laughter for No Reason heisst sein 240seitiger, illustrierter
How-to-do-Ratgeber. Bannerwerbung auf der Website
preist ihn als „Das einzige Buch über das neue Konzept von
Lachyoga und Lachclubs”.
Macht, wer lacht, sich fit? „Got the Giggles? Join the Club”
überschreibt die New York Times 2002 einen
halbseitigen Beitrag, der über die in der Stadt aufgekommenen Lachclubs berichtet.
„So wird Lachen”, antwortet die Philosophieprofessorin
Felicia Ackerman darauf in einem Leserbrief, „also zu etwas wie Gemüse essen – etwas, was die Leute zu tun bereit sind,
weil irgendein Gesundheits-Guru beschlossen hat, es sei gut für sie. Diese Gurus wissen genau, wie sie dem Lachen
den Spass entziehen.”
Lachyoga, Lachclub, Laff-A-Rama: Zustande gekommen
ist die Rezeptur dazu „aus dem Stand heraus”. Die ersten vierzehn Tage, sagt Dr. Madan Kataria, hat er 1995 mit den Leuten
im Park ausprobiert, was ihr Lachen unterstützt – beispielsweise,
es gemeinsam zu tun, mit Augenkontakt, tonlos,
mit offenem Mund. Zudem übt die Gruppe damals bereits, was er „Medium Lachen” nennt. Oder „Cocktail-Lachen”.
Aus der Lachmaschine hinzugemischt
Es hört sich an wie das, was 1977 in Woody Allens Film
Annie Hall Sitcom-Star Rob (Tony Roberts) sich hinzumischen
lässt, durch den Toningenieur, aus der Lachmaschine
– „a medium-size chuckle” als angebliche Publikumsreaktion
für einen dreisten, schäbigen Witz!
Auf dem Bildschirm, in der Sitcom also sagt Rob:
„Leg dich besser hin. Du bist zu lange in der Sonne gewesen.”
Im Schneideraum sagt Rob jetzt zum Techniker:
„Yeah – ah, hier gibst du mir jetzt ein mittleres Kichern.
Und dann einen Superapplaus!” Und sogleich
kichert „das Fernsehpublikum” und applaudiert. Sinnigerweise
heisst der Techniker „Charlie”.
„Charles” Douglass ist’s, der in den 1950er Jahren
die „Laff Box” im US-Fernsehen einführt. Seine Erfindung sieht er allerdings eher als „sweetening machine”. Dem Lachen
des Live-Publikums zieht der Techniker seine auf Tonspur gespeicherten Lacher vor.
Lachkonserve im TV, Lachgruppe im Park: Was haben
die gemeinsam? Möglicherweise nicht allzu viel,
aber beide verbindet der Umstand, dass ohne Grund gelacht
werden kann. Oder soll.
Dass Lachen ansteckend wirkt, ist offenkundig. Aber es
geht in diesem Fall, im Park, im Lachclub, vor dem Fernseher,
um mehr. Jetzt lachen wir, auch wenn es keinen Grund
zum Lachen gibt.
Jetzt lachen wir, weil das gut tun soll. In der Simuliertheit
erinnert die Lachkonserve im Fernsehen an das
künstliche „say cheese”-Lächeln, das aufzusetzen wir beim Fotografiertwerden eingeladen werden.
Nehmen wir Lachen als Muskelreaktion, die entspannt,
kommt ein Drittes hinzu: Ich brauche nicht über etwas zu lachen.
Es genügt, jemanden zu kitzeln. Gleich giggelt er los.
Er kann nicht anders. Er muss.
Charles Douglass, der Tüftler, dem der menschliche Faktor
einfach zu wenig verlässlich gewesen ist, hat sich
zur Bedeutung seiner Tätigkeit nie geäussert. Die Maschine hat
er, sagt sein Sohn Bob Douglass, der das Geschäft
weiterführt, aus technischen Gründen erfunden: „Er hat nicht
realisiert, wie sie das Gesicht der Comedy verändert.”
Als Douglass im April 2003 mit 93 stirbt, meint im Boston Globe Matthew Gilbert in seinem Nachruf: „Bei allem Respekt
für Familie und innovatives Genie von Douglass, ich wünschte,
er hätte sich mit Fruchtkonserven oder Bohnen oder
Spam beschäftigt.”
Nicht eine Situation Comedy mit Zuschauern ist
übrigens die Urquelle seiner Lacher gewesen, sondern Lacher
eines TV-Livepublikums bei Red Skeltons Pantomimen –
Lacher, die von Wort- und Dialogfetzen frei sind.
Warum kein Abschaltknopf?
Als BBC2 vor einigen Jahren die TV-Serie M*A*S*H wieder
ausstrahlt, werden alle Episoden ohne Lachspur
gezeigt – alle bis auf eine einzige, die aus irgendeinem Grund
nicht anders verfügbar ist.
Die Folge mit Lachspur löst in Grossbritannien genug Ärger
aus, um noch 2001 einen Chat zu unterfüttern, bei dem es
um die Grundsatzfrage geht: Warum gibt es noch immer keinen
„Laugh Track Off Button”?
Da mischt ein „Nichtfernseher” sich unversehens mit dem
Einwurf in die Plauderei: „Kann ich einen Lachspur-Abschaltknopf
dafür bekommen, wenn mich im Büro wieder alle auslachen?”
Den Schalter wird es nicht geben, nicht im Büro,
es sei denn um den Preis totaler Kontrolle. Das Interessante an
dem Einwurf aber ist, dass er die Frage in die
Alltagswirklichkeit zurückholt und sie zum Test im wirklichen
Leben vom Kopf auf die Füsse stellt.
Stellen wir das Lachen ab! Endlich ist im Büro alles
unter Kontrolle! Der Lachknopf regelt’s. Mehr noch, das Gegenteil:
Das Lachen wird als Stimmungsregulator eingesetzt,
als Instrument der Manipulation. Stellen wir das Lachen an!
Für gute Laune ist jeder Zeit gesorgt. Off, on.
Ein Knopfdruck genügt.
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