Jacob Houbraken, Handel, 1738. Das einzige, mit Händels
Erlaubnis veröffentlichte gedruckte Portrait, wird als Einzelblatt an
Subskribenten der Alexanderfest-Partitur abgegeben.
Jeder eine Fackel in der Hand weiter zurück
WER IST HÄNDEL?
Händel, populärer Zeitgenosse, zu Lebzeiten
mythisiert, in Anekdoten veralbert, wo
doch nur seine Musik Antwort geben kann
auf die Frage: Wer ist Händel?
Neil Coke, Jeder eine Fackel in der Hand. Roman.
Dienstag, 27. November 1739
Vom Krieg reden sie jetzt auf allen Gesellschaften,
die Ladies und Toupées, und sie reden davon mit einer
Smartheit wie ein stümperhafter Captain, schreibt
Mary Pendarves, Händels Nachbarin an der Brook Streeet.
Es ist Dienstag, 27. November 1739. Sie schreibt an Lady Throckmorton in Scarborough, Yorkshire. Sie will ihr ein
Portrait von Händel schicken, das sie erst noch beschaffen muss.
Also datiert sie den Brief auf morgen, eingeleitet mit
der Bemerkung: Was Neuigkeiten angeht, ich hab keine.
Ein paar Zeilen weiter schreibt Mary Pendarves:
Nächsten Samstag beginnen die Konzerte im Haymarket.
Carestini singt, Peschetti komponiert. Das Haus ist in
kleine Logen aufgeteilt, wie die Theater im Ausland. Unternehmer
ist Lord Middlesex, und ich glaube, er wird darauf sitzen
bleiben. Mit Konzerten ist es nicht getan.
Ist Musik Kunst? Ist Kunst Musik?
Nicht das Ohr allein, auch das Auge will einbezogen sein.
Dabei hat Mary Pendarves Probleme mit den Augen.
Seit einem Monat sind ihre Augen stark entzündet, sie muss
sich ärztlicher Behandlung unterziehen.
Heute Abend wiederholt Händel im Lincoln’s Inn Fields Theatre
die Ode for St. Cecilia’s Day, sein Saisoneröffnungsprogramm.
Ist Musik Kunst? Ist Kunst Musik?
Musik bewegt, Musik löst Gefühle aus, Musik inspiriert.
Musik besteht wie Kunst aus Form, Farbe und Bewegung. Die Erfahrung Musik zu hören ist der Erfahrung Kunst zu sehen vergleichbar.
Es erstaunt nicht, wenn Händel Kunst sammelt, eine
Sammlertätigkeit, die er bis zum Kauf einer Rhein-Landschaft
von Rembrandt – naja, aus der Schule von Rembrandt –
ausdehnt, für die er den Gegenwert einer Jahresmiete für das
Haus an der Brook Street aufbringt.
Andererseits, auch das ist richtig: Wer hört, der sieht.
Aber wer sieht, der hört nicht. Die Erfahrung Musik zu hören
ist der Erfahrung Kunst zu sehen nicht vergleichbar.
Die Kunst bleibt bestehen, die Musik ist flüchtig. Das schöpft
Händel aus. Er variiert, baut um, erweitert, spielt neu.
Musik ist Gefühl, ist Hochgefühl, Musik hat ein Element von
Tanz. Oper ist Liebe, Musik ihr Fest.
Ein opulentes Menü
Nur ist das Fest Händel zu üppig geraten, ein opulentes Menü,
und er fragt sich, ob das Publikum am selben Abend zweimal
feiert, gibt er doch zur Ode for St. Cecilia’s Day die zweite
obendrauf, aus gleichem Anlass vertont, Alexander’s Feast.
Auf dem Titelblatt der Partitur steht nichts anderes: An
Ode wrote in honour of St. Cecilia by Mr. Dryden.
Mary Pendarves, die Alexander’s Feast letztes Jahr
gehört hat, sieht in The London Daily Post, dass dafür gleich
zwei Anzeigen geschaltet sind, die für die Aufführung
und, grösser, also kostspieliger, die für die Partitur, ihr Wortlaut:
MUSIK. An diesem Tag wird veröffentlicht ALEXANDER’S
FEAST, eine Ode zu Ehren von St. Cecilia’s Day, in
Musik gesetzt von Mr. HÄNDEL, mit den Rezitativen, Songs
und Chören für Stimmen und Instrumente, wie im
Theatre Royal in Lincoln’s Inn Fields aufgeführt, gedruckt
von John Walsh, Catherine Street in Strand, wo im
Printing-by-Subscription-Angebot ebenfalls zu haben sind:
Zwölf Grand concertos für Violine etc. in sieben Teilen,
komponiert von Mr. Händel. 1. Der Preis beträgt für
Subskribenten zwei Guineas, eine Guinea ist bei Zeichnung der Subskription zu bezahlen, die andere bei Lieferung der
Bücher. 2. Dieses Werk wird 400 Platten umfassen, sauber
graviert, zur Lieferung an Subskribenten bereit
nächsten April.
PS: Zwei der oben genannten Concertos werden im
Theatre Royal in Lincoln’s Inn Fields aufgeführt. Subskriptionen nehmen entgegen: der Autor in seinem Haus an der
Brook Street, Hanover Square, und John Walsh an der
Catherine Street in Strand.
My dearest Kitty, my Lady Throck
Mary Pendarves blickt einen Augenblick auf, legt die Feder
beiseite und überfliegt die letzten Zeilen auf dem Blatt Papier,
das sie in der Hand hält. Mit Konzerten ist es nicht getan.
Sie will Lady Throck das gedruckte Portrait von Händel
schicken, das sie in einem Andruck bei Ebelin im Erdgeschoss
von Händels Haus gesehen hat, eine Gravierung, die sie bei
Mr. Walsh aber erst noch beschaffen muss.
Das gedruckte Portrait, hat Ebelin gesagt, wird als Einzelblatt
an Subskribenten der Alexanderfest-Partitur abgegeben.
Aber für sie, hofft Mary Pendarves, wird Mr. Walsh ja wohl eine Ausnahme machen. Oder vielmehr für Lady Throck, wie
sie Lady Throckmorton nennt, my dearest Kitty, my Lady Throck.
30 000 Pfund eingebracht
John Walsh betreibt das Geschäft in zweiter Generation,
er ist so clever und innovativ wie sein Vater, aber
nicht so geizig. John Walsh senior hatte die Technik entwickelt Musikpartituren auf Kupferplatten zu gravieren.
Es hiess, er pflege Goldstücke auf seinem Pult liegen
zu lassen um die Ehrlichkeit seiner Angestellten, Arbeiter und
Lehrlinge zu testen, es hiess, er sei sehr reich, als sich
aber herausstellte, dass die Händel-Publikationen ihm bis 1736,
bis zu seinem Tod, 30 000 Pfund eingebracht hätten,
war die Summe beeindruckend genug um in The Gentleman’s Magazine genannt zu werden.
Walsh senior war Instrumentenmacher, ehe er Musikdrucker
wurde. Hatte er anfangs Arbeiten noch ausser Haus
gegeben, so war sein Ziel bald alles in seine eigene Kontrolle
zu bringen.
Er datiert Veröffentlichungen ungern
Daran, dass es in Shop und Workshop sehr geschäftig
zu und her geht, hat sich nichts geändert, auch daran nicht, dass gravierte Platten nicht verschickt werden, auch nicht
nach Deutschland.
Es geschieht alles nach den Vorgaben des Musikverlegers,
der den ornamentalen Frontispitz früherer Drucke durch Bilder
ersetzt, der ein herrliches Papier, dick, kostbar, verwendet,
und der, darin ganz der Vater, Veröffentlichungen ungern datiert.
Er betreibt das Geschäft mit derselben Energie wie sein
Vater, veröffentlicht Händels Werke, wie sie herauskommen,
und druckt nach, wie sein Vater und andere nachgedruckt
haben.
Er gibt Auszüge von Händel in allen Arten heraus und
schlägt Konkurrenten aus dem Feld, wozu ihn das vierzehn
Jahre gültige Copyright Patent berechtigt, das Händel
erhalten hat, datiert 31. Oktober 1739, worin er einen einzigen
Verleger benennt: John Walsh, in der Gemeinde von
St. Mary in Strand, seine Erben und Vertreter etc.
Wer ist Händel?
An diesem Morgen steht ein Unbekannter bei Walsh im
Laden, ein Mann vom Land, der eine gedruckte Partitur hochhebt
und fragt: „Wer ist Händel?”
Walsh zuckt die Schultern, lacht und sagt: „Das Beste,
was wir haben.” Rasch, ohne einen Blick drauf zu werfen, legt der Unbekannte, der sich in den Musikverlag verirrt hat,
die Partitur wieder hin.
„Ach ja?” sagt er und verlässt aufgescheucht den Laden.
Wer ist Händel? Eine gute Frage, denkt Walsh hinterher. Aber er
hätte anders antworten sollen, ohne Werturteil. Denn was
sagt einem Mann vom Land das Werturteil eines Musikverlegers
in der Stadt? Nichts.
Sichtfenster beidseits der Bühne
Fünf Tage sind seit der Uraufführung vergangen, aber mit
dem 22. November ist auch der Jahrestag vorbei,
für den Händel die Ode for St. Cecilia’s Day vertont hat.
Gewöhnlich entscheidet er rasch, er ist keiner,
der Umstellungen aus dem Weg geht, hier aber zögert er.
Die Begeisterungsstürme des Eröffnungsabends sind
verrauscht, seine Zweifel kehren wieder, kaum hat er sie
vertrieben, sie nagen ihm im Hinterkopf.
Aber noch lässt er das Programm, wie es ist, und wiederholt
Ode for St. Cecilia’s Day und Alexander’s Feast am heutigen
Abend im Lincoln’s Inn Fields Theatre, das er für die neue Saison
von John Rich gemietet hat, ein Theater, das beidseits der
Bühne Sichtfenster hat, looking glasses, durch welche die Besucher
die Darsteller hinter der Bühne beobachten können.
Eine exzellente Falle, sagt Quin, um Schauspielerinnen
zu ertappen, die lieber ihre eigene Person bewundern als ihrer schauspielerischen Pflicht nachzuleben.
Wie ein Hund in einer Tanzschule
Das Lincoln’s Inn Fields Theatre ist ein Scherz.
Aber, schrieb John Gay, Life is a jest, and all things show it.
I thought it once, and now I know it, jetzt steht’s auf
seinem Grabstein in der Westminster Abbey.
Das Lincoln’s Inn Fields Theatre war der Ort, an dem Rich
The Beggar’s Opera von Gay herausbrachte, it hath
made Rich very Gay and probably Gay very Rich.
Mehr als sechshundert Pfund kassierte der Librettist,
der Theatermanager sah sich in die Lage versetzt das Covent
Garden Theatre zu bauen, das feine, neue Theater,
in dem Händel seit vier Jahren alle seine Opern und andere Neuproduktionen herausbrachte, Il Pastor Fido,
Terpsicore, Arianna in Creta, Oreste, Ariodante, Esther,
Deborah, Athalia, Alexander’s Feast, Acis and
Galatea, Atalanta, Poro, Arminio, Partenope, Giustino,
Parnasso in Festa, Il Trionfo, Berenice.
Der Architekt des Covent Garden war Edward Shepherd,
das gesamte Viertel hat er neu gestaltet. Vor sieben Jahren,
als der Neubau am 7. Dezember eröffnet wurde, trugen
die Schauspieler John Rich im Triumph zur Vorstellung von
The Way of the World von William Congreve, der in ein
paar Jahren das Libretto für Semele liefern wird.
Der Maler William Hogarth hat diesen Umzug in einem Bild festgehalten, Rich’s Glory, or, His Triumphant Entry into
Covent Garden. Das mag lange her sein, aber der Zufall will es,
dass The Way of the World heute Abend im Covent Garden
Theatre gegeben wird, eine bitterscharfe Heiratskomödie, in der
Theo Cibber als Witwoud auftritt, ein Hallodri, ein
Möchtegern in Liebessachen, seine letzten Worte auf der
Bühne sind: „Ich bin schon ganz verwirrt, wie ein
Hund in einer Tanzschule.”
Harlequin, aus dem Ei geschlüpft
Das Covent Garden Theatre zeigt ein Doppelprogramm.
Das zweite Stück, die unverzichtbare Pantomime, ist The Rape
of Proserpine, With the Birth and Adventures of Harlequin.
Den Harlequin, das Mondgesicht, gibt Mr. Lun, er mimt auch
mal Katze oder Hund oder schlüpft, das ist der Auftritt, für den er berühmt ist, als Harlequin aus dem Ei.
Er hat die Pantomime als Gattung begründet,
ins Theater kommen die Leute um ihn zu sehen. Lun ist John
Richs Bühnenname, der Theatermanager ist zugleich
Schauspieler. Er hat ein Heimspiel. Er hat das Haus erbaut,
in dem er spielt. Thomas Davies schreibt:
Er hat eine Art der Harlequinade entwickelt, die von
der sehr verschieden ist, die es in der Opéra comique in Paris
zu sehen gibt, wo die Charaktere alle sprechen. Und eine
Art drolliger Farce, voll lachhafter Zwischenfälle und Bonmots,
naivités genannt, hält das Publikum in fortdauerndem
Gelächter.
Und, zwölf Zeilen weiter:
Um das Ansehen seines Theaters wiederherzustellen,
schuf Rich eine hier und, ich glaube, auch sonst nirgendwo
bekannte, dramatische Gattung, die er Pantomime nannte.
Sie bestand aus zwei Teilen, der eine seriös, der andere komisch.
Mit Hilfe heiterer Szenenbilder, schöner Kostüme, grosser Tanznummern, arrangierter Musik und anderer Verzierungen
stellte er eine von Ovids Metamorphosen dar oder die
Geschichte eines anderen Fabeldichters.
In die Pausen zwischen den Akten dieses ernsten
Schaustücks rückte er eine komische Handlung ein, die sich hauptsächlich um das Liebeswerben zwischen Harlequin
und Columbine drehte, mit einer Varietät von Abenteuern voller Überraschungen und Tricks, produziert durch den Zauberstab
von Harlequin, der plötzlich Paläste und Tempel in Hütten
und Baracken verwandelt, Männer und Frauen in Schubkarren und Klappstühle, Bäume in Häuser, Säulengänge in Tulpenbeete, mechanische Geräte in Schlangen und Strausse.
Promis für Besucher erkennbar
Im Drury Lane Theatre, der zweiten grossen Bühne,
die aber kleiner ist als das Lincoln’s Inn Fields Theatre, das
Händel bespielt, ist Quin der Star des Abends, er gibt
die Titelrolle der Tragödie Sir Walter Raleigh, gefolgt von der Pantomime, in diesem Fall Harlequin Grand Volgi.
Aber Hogarth hat nicht nur Richs Triumph gemalt, er hat
auch Gemälde von The Beggar’s Opera im Lincoln’s Inn Fields
Theatre angefertigt, wo er bei der Uraufführung dabei war.
Eines der Bilder zeigt Captain Macheath, den Strassenräuber,
vom Galgen bedroht, mit zwei im Knast um sein Leben
flehenden Geliebten. Direkt hinter den Darstellern sitzt Publikum
in der Kulisse auf der Bühne, die Köpfe der Promis sind
für Besucher im Parkett identifizierbar.
Es sind stadtbekannte Aristokraten, die in zwei Bühnenlogen
sitzen, rechts aussen, ein Textbuch in der Hand, der
Duke of Bolton, der in Lavinia Fenton verliebt ist, die die Polly
gibt und die er später heiratet.
In einem anderen Bild zeigt Hogarth die Darsteller mit
Tierköpfen, die Bühne ist ein Nudelbrett, davor die Musiker,
Stehgeiger, eine kleine Kapelle, das Haus gerangelt voll,
ein Tollhaus.
Die Oper wird auf den Kopf gestellt. The Beggar’s Opera
macht Verbrecher zu Helden und Staatsdiener zu Verbrechern.
Im Prolog tritt die Figur des Autors als Bettler vors Publikum
und sagt: „Ich hoffe, man verzeiht mir, wenn die Oper bei mir nicht
grundsätzlich unnatürlich ist wie bei denen, die in Mode sind.”
Die Beggar’s Opera triumphiert
Händel wird in The Beggar’s Opera geplündert, und
gleichzeitig wird er persifliert, jedenfalls bekommt er sein Fett ab.
Über Senesino, Händels Starsänger, den Tenorkastraten,
sagt Gay mal: „Senesino wird täglich zum grössten Mann gewählt,
der jemals gelebt hat.”
Aber was Primadonnen, Stars und Kastraten angeht,
so hat auch Händel selbst sich mit ihnen angelegt. Er besteht
auf der Kontrolle über die Aufführung. Gay hat am
Libretto zu Acis and Galatea mitgewirkt, er kennt Händel.
Und Händel gefällt die Musik der Beggar’s Opera.
Die hat der Berliner John Christopher Pepusch mehr
arrangiert als komponiert, Bänkelsang, Volkslied, Gassenhauer,
ein Balladenton, bei Trinkgelagen angestimmt, aber
nahezu alle Songs sind Melodien entnommen, die es bereits gibt, Händel-Arien inklusive.
Auch Pepusch ist beim Duke of Chandos beschäftigt
gewesen, er kennt Händel aus Cannons. Es sind die Affektiertheiten der Society, es ist die Korrumpiertheit von Sir Robert Walpoles Regierung, worauf The Beggar’s Opera abzielt mit ihrem
low life setting, etwa dem Gefängnis von Newgate, das Swift vorgeschlagen hat, Mary Pendarves’ Freund.
Die hat gerade Siroe im Ohr, als sie an ihre Schwester
Ann Granville damals schreibt:
Gestern war ich auf der Probe der neuen Oper, komponiert
von Händel. Ich mag sie extrem, aber der Geschmack der Stadt
ist so heruntergekommen, dass nichts mehr ankommt
ausser die Burleske. The Beggar’s Opera triumphiert über die italienische. Ich hab sie noch nicht gesehen, aber jeder,
der sie gesehen hat, sagt, sie ist sehr komisch und voller Humor.
Die Songs werden bald veröffentlicht, und ich werde sie
euch schicken.
Wachen postiert
Das Lincoln’s Inn Fields Theatre ist geräumig, neben dem Zuschauerraum gibt’s eine Anzahl anderer Räume,
den Green Room, wo Schauspieler sich aufhalten, wenn sie gerade nicht auftreten, den Dressing Room, die Garderobe, und
den Mattenraum, the Matted Room for the receptions of figure
dancers, pantomimists etc.
Leicht zu beheizen aber ist das Gebäude nicht. Fünf Tage
vor der zweiten Vorstellung lässt Heidegger in The London Daily
Post einrücken: Es werden besondere Vorkehrungen
getroffen, damit das Haus gut geheizt sein wird.
Und heute, am Tag der Aufführung, im Volltext:
LINCOLN’S INN FIELDS. Im Theatre Royal in Lincoln’s Inn
Fields wird an diesem Tag aufgeführt: Eine ODE von
Mr. DRYDEN mit zwei neuen CONCERTOS für mehrere Instrumente, nie zuvor aufgeführt ausser einmal. Ihnen geht voraus:
ALEXANDER’s FEAST und ein CONCERTO auf der ORGEL.
Logen eine halbe Guinea, Parkett 5 Shilling, Erster Rang
3 Shilling, Oberer Rang 2 Shilling. Restkarten werden an diesem
Tag beim Bühneneingang verkauft. Türen für Parkett und
Rang werden um vier geöffnet, Logen um fünf. Es werden besondere Vorkehrungen getroffen und Wachen postiert sein um alle
Passagen vom Mob freizuhalten. Beginn sechs Uhr.
Wir hören, dass...
Die Gegend ums Theater herum gilt als fashionable
residence area, aber Kriminelle (Strassenräuber, Taschendiebe) machen sie unsicher, unbetretbar für people of quality,
das ist die Oberschicht, der die lower sort of people entgegensteht,
das ist der Rest.
The Beggar’s Opera würfelt sie ineinander, als sei der
Unterschied nicht allzu gross. Was Anzeigen für Musik, Theater
und Musiktheater angeht, ist The London Daily Post
das richtige Blatt, und ein Blatt ist sie tatsächlich, ein Blatt,
Vorderseite, Rückseite.
Redaktionelle Nachrichten, knapp, wie sie sind, fallen nicht
selten ein wenig wacklig aus. Wir hören, dass... Am Tag,
als Händel die Partitur für Ode for St. Cecilia’s Day beendet hat,
am 24. September 1739, beginnt in The London Daily Post
die erste Meldung so. Wir hören, dass...
Ja, und? was hören wir? Wir hören, dass Admiral Haddock
und das unter seinem Kommando stehende Kriegsschiff noch immer vor der Bucht von Cadiz kreuzt und mehrmals Clavijos Schiff,
die Canon, gesichtet hat, wie der spanische Admiral auch ihn.
Was ist das? ein Flaggezeigen? ein Sicheinschätzen?
ein Schaulaufen? das Manöver, das den Krieg präludiert hat?
Macht die Türen zu
Händel vertont englische Poesie, Dryden, Milton. Am Abend
nach Eröffnung seiner neuen Konzertsaison hat Händel bei einem Hausabend mitgewirkt, in Lord Shaftesburys Haus am
Grosvenor Square. Dessen Schwager liest aus John Miltons
Samson Agonistes, Lord Shaftesbury schreibt:
Nie hab ich einen Abend mit grösserer Zufriedenheit
verbracht als den letzten. Jemmy Noel las sich durch das ganze Gedicht von Samson Agonistes und immer, wenn er ein
wenig Atem schöpfte, spielte Mr. Händel, wie ich wirklich denke,
besser denn je. Das Stück gefiel ihm sehr & seine
Harmonien passten perfekt zu den Feinheiten des Gedichts.
Lord Shaftesbury schreibt das an James Harris,
seinen Cousin in Salisbury. Ungewiss ist, ob er beim Hausabend Händel auf die Geschichte angesprochen hat, die er
Harris im selben Monat mitteilt. Lord Shaftesbury schreibt:
Voilà! Es gibt ein nicht zu bezweifelndes Gerede,
das verbreitet wird um unserem Freund Händel zu schaden
& das geht wie folgt: Händel sei erwiesenermassen
in South’ton gewesen & hätte, als er an der Orgel spielte,
ausgerufen: „Macht die Türen zu oder ich hau sofort
ab!” Ihr wisst, wie falsch das ist, und doch verletzte es Händel.
Händel ist der Musikpapst
Händel ist der Musikpapst, darum geht es. Was ihn als
eigene Person kennzeichnet, tritt in den Hintergrund, besondere Merkmale etwa, die ausgeprägt hellblauen Augen,
die dunklen, buschigen Augenbrauen, die schwere Statur.
Sein Denkmal zu Lebzeiten, letztes Jahr in den Vauxhall
Pleasure Gardens enthüllt, ist die Sensation der Stunde. Die lebensgrosse Skulptur verblüfft durch ihre Expressivität
und Informalität in Kleidung und Pose, ersten Kommentatoren
erscheint sie intim, charakteristisch, würdevoll.
In seiner Eigenart wirkt Händel aber seltsam blass.
Dabei kennt der Bildhauer Louis François Roubiliac sonst keine Skrupel. Ein Zinken, das ist die Nase bei Arabella Anfrère,
geborener Bates, in Chelsea lebender Ehefrau des hugenottischen Kaufmanns und Kunstkenners.
Für die Statue beraubt Roubiliac den Musiker Händel
seiner Perücke. Er lässt ihn als Sänger Orpheus posieren, ein versteinerter Mythos, ihm geht die Autorität der Gegenwart ab,
die praktizierte Majestät.
Sie nennen ihn den Perser
Als Senesino angesichts der zwei in London konkurrierenden
und gegenseitig sich ruinierenden Opernhäuser zu Händels Widersacher überläuft, heisst es, Senesino sei gegangen, weil
Händel zu autoritär war. Das sieht aus, als sei Händel eine Macht, uneinnehmbar, eine Bastion.
Doch selbst dafür gibt’s einen Zeugen. Ein Tyrann und
Usurpator, gegen den er häufig rebelliert, ist Händel in den Augen
von Thomas Arne, der bald ein Dr. seinem Namen voranstellt,
als Rule Britannia!-Komponist!
Handkehrum ist Händel ein Schafskopf, und er hat tatsächlich
etwas von einem Schaf in seinem Blick, um die konturierte Nase herum, unterstrichen von der Wolle, als die das leicht
gelockte Haar seiner Perücke dem flüchtigen Betrachter in der Gravierung von 1738 erscheinen mag, welche die
Alexander’s Feast-Partitur ziert.
Eindeutig ist’s nicht, was die Gegner von Händel meinen,
wenn sie ihn den Perser nennen: den Decknamen für Schwule?
den Dresscode im Theater? den Musikpapst? Bei
Bühnenkostümen wird zwischen römisch, persisch, spanisch
und altenglisch unterschieden, persisch ist eine
Kategorie aus dem Fundus, auf der Bühne tragen Schauspieler zeitgenössische Kleidung.
Aber Händel hat auf der Gravierung von 1738, die Jacob
Houbraken angefertigt hat, ganz und gar nichts Persisches, nicht
mal im Ornament der Weste, die er trägt.
Der Letzte macht das Licht aus
Als Charles Burney, Thomas Arnes’ späterer Assistent,
mal keine Anekdote erzählt, sagt er: Händel ist von grosser
Gestalt, irgendwie korpulent, in seinen Bewegungen
strahlt er Macht aus. Sein Gesichtsausdruck ist voll Feuer und
Würde, er weckt Ideen von Überlegenheit und Genie.
Und weiter sagt Burney:
Händel ist ungestüm, rau, gebieterisch in Umgangsform und Konversation, aber nie unfreundlich oder böswillig.
Und weiter sagt Burney:
Gewöhnlich sah Händel irgendwie schwerfällig aus,
mürrisch, aber wenn er dann lächelte, war’s tatsächlich, als
breche die Sonne aus schwarzem Gewölk hervor.
Plötzlich strahlte er vor Witz, Intelligenz und guter Laune,
wie ich’s kaum bei einem sonst je sah.
Mehr Tiefenschärfe hat auch Reverend Sir
John Hawkins nicht, als er auf Händels Gang verweist.
Hawkins sagt über Händel:
Er war in seiner Person ein grossgewachsener, überaus
beleibter Mann. Sein Gang, immer bummelnd, war eher ungraziös
und er erinnerte in der blockierten Bewegung an jemanden
mit gebundenen Beinen.
Er hatte fein ausgeprägte Gesichtszüge, gewöhnlich war
der Ausdruck seiner Miene eine gelassene, gesetzte,
von Wohlwollen geprägte Würde mit all den Eigenschaften
eines Kopfes, der dazu neigt auf Vertrauen und
Wertschätzung zu setzen.
Bummelnder Gang? ungraziös? blockierte Bewegung?
gebundene Beine? Aber ist Händel nicht, sobald er musiziert,
äusserst graziös? Wird er nicht selbst zu Musik in der
feinen, beredten Bewegung, die seine Körperfülle in Leichtigkeit verwandelt, wenn er am Cembalo in die Tasten greift?
Zeitzeugen sind wacklige Kantonisten, von Opportunismus
nie frei, sie wissen: Der Letzte macht das Licht aus,
er schreibt Geschichte.
Wenn ihr mir schmeichelt wie er
Die erste Biographie veröffentlicht John Mainwaring,
Memoirs of the Life of the Late George Frederic Handel, es ist
die erste Musikerbiographie überhaupt.
Ein Exemplar landet beim Librettisten Jennens,
der es mit Marginalien versieht, zu Händels Karriere in Italien
findet sich in Jennens Handschrift die Randnotiz:
Händel sagte mir, das Libretto zu Il Trionfo etc. hätte Kardinal
Pamphili geschrieben, „an old fool”, wie er hinzufügte.
Ich fragte: „Wieso Verrückter? Weil er ein Oratorio schrieb?
Vielleicht nennt ihr mich aus demselben Grund verrückt!”
Händel antwortete: „Das würde ich, wenn ihr mir schmeicheltet,
wie er es tat.”
Ein kräftiger Mann
Nein, das alles ist es nicht, denkt Walsh, als er in der
rückwärtigen Werkstatt steht, wo in der Länge des Raumes
Arbeiter an langen Tischen gravierte Platten hochheben,
noch immer hängt die Frage des Unbekannten Walsh an:
„Wer ist Händel?”
Es war reiner Zufall, dass Walsh gerade im Shop stand,
als der Mann hereinkam. Stünde er jetzt mit der Frage vor Walsh,
er würde zu ihm sagen: „Mr. Händel ist ein stattlicher,
liebenswerter, witziger Mittfünfziger, der grossartige Musik macht,
die wir sehr gut drucken und sehr gut verkaufen.”
Aber nicht der Unbekannte, sondern Mary Pendarves
steht zehn Minuten später bei Walsh im Laden, wo sie von einer Angestellten empfangen wird. „Good Morning, Mrs. Pendarves.
Was können wir für euch tun?”
Mary Pendarves zieht an ihrem Handschuh, aber dann
behält sie ihn doch an. „Ich bin gekommen –”, sagt sie, als die
Ladentür erneut aufgeht und ein kräftiger Mann eintritt,
der wie ein Kutscher aussieht. „Ich hätte gern eines dieser
Händel-Portraits, wie ihr sie als Einzelblatt an Subskribenten
der Alexander’s Feast-Partitur abgebt. Die verkauft ihr
doch sicher auch?”
Seit ihren Mädchenjahren
Die Angestellte zögert. „Die Gravierung, die Mr. Houbraken
für uns gemacht hat?” Tatsächlich liegt ein Exemplar
auf der Theke. „Genau. Das ist es, was ich meine.” Mary Pendarves geniert sich, es ist ein bisschen, als wollte sie sich aufgrund eines Privilegs etwas aneignen, das ihr nicht zusteht.
„Es geht um Lady Throckmorton, eine Freundin von mir.
Ich würd’s ihr gern nach Scarborough, Yorkshire, schicken, Es
ist ein Geschenk.” Aber die Angestellte runzelt die Stirn. „Die Gravierung ist als Geschenk an Subskribenten gedacht, von einem Verkauf hab ich nie etwas gehört, aber ich kann ja mal
Mr. Walsh fragen gehen.”
Kundenbindung, denkt Mary Pendarves. Ist sie etwa
kein Kunde, sie hat Alexander’s Feast gehört, letztes Jahre schon. Hinter der Wand hört sie Walshs Stimme: „Und wer ist das,
der fragt?” Die Stimme der Angestellten: „Es ist Mrs. Pendarves,
Mr. Händels Nachbarin.”
Mary Pendarves ärgert das ein wenig, denn immer wird
sie als Händels Nachbarin gehandelt, dabei ist sie doch weit mehr,
sie ist Händels Supporterin, die älteste, wenn’s nach
Dienstjahren geht, sie ist Händels Supporterin seit ihren Mädchenjahren.
Wir legen Wert auf das Detail
Sie hört, wie Walsh ohne Nachdenken sagt: „Aber doch
sicher.” Mary Pendarves hört drauf Getuschel und Genuschel,
blickt verlegen zu dem kräftigen Mann hinüber, der wie
ein Kutscher aussieht, und tritt von einem Fuss auf den anderen.
Und jetzt, hinter der Wand ist es ruhig geworden, tritt
Walsh selbst in den Shop, sieht Mary Pendarves, blickt auf den kräftigen Mann, der wie ein Kutscher aussieht, und sagt:
„Good Morning, Mrs. Pendarves.”
„Good Morning, Mr. Walsh.” sagt Mary Pendarves.
Und Walsh: „Miss Rich packt euch die Gravierung gleich ein.
Ein schönes Geschenk. Das einzige, gedruckte Portrait,
das zu Mr. Händels Lebzeiten mit dessen Erlaubnis veröffentlicht
wird. Da wisst ihr doch, was ihr habt. Es wird ja heute
soviel veröffentlicht. Und bestellt Lady Throckmorton meine ergebensten Grüsse.”
Dann wendet Walsh sich an den kräftigen Mann, der wie
ein Kutscher aussieht. „Was können wir für Euch tun?” Das mit
dem wir, das ist ein Tick von Walsh, den hat sein Vater
nicht gehabt, wirklich nicht, denkt Miss Rich, als sie mit der eingepackten Gravierung in den Shop zurückkommt.
„Nicht was kann ich für euch tun, sondern was können wir
für euch tun? Der Kunde muss wissen: Eine Heerschar
von Mitarbeitern legt sich für ihn ins Zeug! Auf das wir kommt es
an in dieser Welt, die eine Geschäftswelt ist. Das wir ist
unser Unterscheidungsmerkmal, wir legen Wert auf das Detail”,
pflegt Mr. Walsh seinen Beschäftigten gern und oft zu sagen.
Der Geisterbeschwörer
Wer ist Händel? Mary Pendarves schreibt 1735 an ihre Mutter:
Händel konnte Widerspruch nicht ertragen, war reizbar,
aber nicht nachtragend-eifersüchtig auf seine musikalische Vorherrschaft bedacht und beharrlich in allen Punkten,
die seine Berufsehre betrafen.
Mary Pendarves behauptet, Händel sei ein Geisterbeschwörer
inmitten seiner eigenen Zaubereien, darauf verfällt
Mary Pendarves, als sie Alcina zum ersten Mal hört, die Oper
mit der Zaubererin. Mary Pendarves schreibt:
Gestern Morgen gingen meine Schwester und ich mit
Mrs. Donellan in Mr. Händels Haus um die erste Probe der
neuen Oper Alcina zu hören. Ich denke, es ist das Beste,
was er je gemacht hat, aber das hab ich schon so oft gedacht,
dass ich nicht positiv sagen will, das ist das Beste, aber
es ist so gut, dass mir die Worte fehlen es zu beschreiben.
Strada hat eine ganze Szene mit liebenswertem
Rezitativ – es gibt tausend Schönheiten. Während Mr. Händel
seinen Part spielte, konnte ich nicht umhin ihn sich
mir als Geisterbeschwörer vorzustellen, inmitten seiner
eigenen Zaubereien.
Aber was Mary Pendarves sich auch vorstellt,
sie selbst ist die Träumerin, sie selbst wird die Geister nicht
los, die sie herbeifantasiert – Heidegger, Händels aus
Zürich stammendem Impresario, attestiert sie, er sei nicht
nur der hässlichste Londoner, sondern der hässlichste
Mann aller Zeiten.
Der Geisterbeschwörer, The Necromancer. Das ist das Wort,
das sie für Händel verwendet. Aber The Necromancer
ist nicht Händel, es ist John Rich in einer Pantomime, in der er sich 1724 im Lincoln’s Inn Fields Theatre als Harlequin
Dr. Faustus produziert hat: The Necromancer, or, Harlequin Doctor Faustus: a poem; founded on the gentile theology.
Das Löwenhaupt. Der Vertilger.
Kein Geisterbeschwörer, kein Schafskopf, kein Perser,
ein Löwenhaupt, ein Vertilger, ein Zerleger, ein grosser Verzehrer!
In Joseph Goupys Karikatur hat Händel ein Schweinsgesicht,
er sitzt auf einem Weinfass an der Hausorgel, an der Geflügel und Schinken hängen, hinter ihm am Boden ein Vorrat bauchiger Weinflaschen, dazu der Teufel selbst, der ihm den Spiegel hinhält,
und ein Spruchband, als Lebensmotto gleichsam:
„I am myself alone.”
Das ist ein Zitat, und Goupy, der Bühnenbildner, kennt das
natürlich, es ist aus Richard III von Shakespeare,
King Richard sagt das, es streicht seine radikale Individualität
hervor, seine Feindschaft auf die ganze etablierte
Ordnung der Dinge, es lautet mit dem Vorlauf:
„Then, since the heavens have shaped my body so,
Let hell make crooked my mind to answer it. I had no father,
I am like no father; I have no brother, I am like no
brother; And this word, ‘love’, which greybeards call divine,
Be resident in men like one another And not in me
– I am myself alone.”
Wer ist Händel? Der Musikpapst? Ein Schafskopf? Ein Geisterbeschwörer? “I am myself alone.” Bei soviel Widersprüchen
ist das ein Satz, der Händel fast schon wieder rehabilitiert.
„I am myself alone.” Händel, populärer Zeitgenosse, zu Lebzeiten mythisiert, in Anekdoten veralbert, wo doch nur seine Musik
Antwort geben kann auf die Frage: „Wer ist Händel?”
Nur wofür weiss sie noch nicht
Jetzt steht Mary Pendarves auf der Strasse, die sorgfältig
eingepackte Gravierung, die sie an Lady Throckmorton
schicken will, unter dem Arm. Sie ist neununddreissig, noch
immer hübsch, neugierig, nicht unzufrieden.
Mit sechzehn hat sie geheiratet, Alexander Pendarves ist
sechzig und Mary Pendarves verwitwet, als sie vierundzwanzig
ist, aber das Leben ist nicht vorbei, es beginnt gerade erst.
Es ist ihre Begeisterung für Musik, sie lässt sie Matthew
Dubourg entdecken, als sie siebenundzwanzig ist und die Crown Tavern besucht, wo Dubourg die erste Geige ist und jeder
sagt, er übertrifft alle Italiener, sogar seinen Lehrmeister Gemiani.
Mary Pendarves ist einunddreissig, als sie beginnt
ausgedehnte Reisen nach Irland zu unternehmen, als sie
Dubourg in Dublin wieder hört, in der St. Patrick Cathedral,
wo’s eine prächtige Orgel gibt, von vielen Instrumentalisten
begleitet, an ihrer Spitze Dubourg, es ist die grösste Menschenansammlung, die Mary Pendarves je erlebt hat, um
zehn Uhr ist sie hingegangen und geblieben bis vier.
Sie hat sich in Dublin mit Swift angefreundet, sie gehört
zum Zirkel der Intellektuellen, mit dem der Dean und
Gulliver-Autor sich in Dublin umgibt, und sie lernt einen Freund
von Swift kennen, Reverend Dr. Patrick Delany, wie Swift
Pfarrer und Autor, und sie besucht ihn in Delville, seiner Residenz,
die Delany komplett übernimmt, als er Margaret Tenison
heiratet, eine reiche Witwe.
Delany hat einen Drucker und Verleger in London,
das ist Richardson. 1738 hat er Reflections upon Polygamy
von Delany gedruckt, 1740 wird er An Historical Account
of the Life and Writings of King David von Delany drucken.
So stehen die Dinge, als Mary Pendarves vor dem Shop
von Walsh die Gravierung auf die andere Seite nimmt, damit sie
sie besser tragen kann. Ein gutes Geschenk. Es wird ja
heute soviel veröffentlicht. Wahre Worte.
Mary Pendarves ärgert nur, dass niemand bei Walsh
ihr sagen konnte, nach welchem Original die Gravierung
entstanden ist. Vielleicht, denkt Mary Pendarves,
als sie über den Strand davongeht, ist das Bild eine Investition
in die Zukunft, ein vorweggenommenes Geschenk.
Nur weiss Mary Pendarves noch nicht wofür. In ein paar
Monaten wird sie die Feder in die Tinte tunken wegen einer
Auskunft, die sie bei Lady Throck einholt, streng vertraulich,
Mr. Dewes, den künftigen Ehemann ihrer Schwester
betreffend, bevor Ann Granville selbst überhaupt Mr. Dewes kennenlernt.
Jeder eine Fackel in der Hand weiter zurück