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CHAMÄLEON LACHEN


Lachen ist wie Wasser. Nicht zu packen. Es verfärbt

sich andauernd. Lachen foutiert sich, Witz ist

überall und nirgends. Bei seiner Deutung sind Auge

und Ohr beteiligt.



               Fritz Hirzel, Passagiere des Glücks. Wem Lachen auf

               die Sprünge hilft. Essay. 140 Seiten. Berlin 2004


Jedenfalls als lautes Lachen eines Einzelnen. Oder als

Lachen einer Gruppe hinter verschlossener Tür.

      Bei einiger Distanz, sobald zwei nicht unter vier Augen

reden, gilt: Lachen ist etwas, das sich über das Ohr mitteilt.

Es ist das Geräusch, das zum Wort „Lachen” führt,

der Laut, die Lautmalerei: auf sie geht alles zurück, nicht

anders als bei „Krächzen”.

      Ist das Wort selbst auf die Reise gegangen, auf der

Landkarte der Sprachgeschichte, den Lachmöven ähnlich, die

da und dort verweilen?

      „Das über alle germanischen Dialekte verbreitete Wort

entbehrt sicherer Bezüge zu den urverwandten Sprachen”, teilt

das Grimmsche Wörterbuch 1885 mit.


Ursprünglich „Laugh” wie „Lach” gesprochen

Nehmen wir die Spur des Wortes, soweit sie sich

verfolgen lässt, entdecken wir einen Kreuzweg in der Entwicklung: „Lach” (deutsch)! Draus wird „laugh” (englisch)?

      Doch umgekehrt ist auch gefahren. Bemerkenswert

jedenfalls, wie vor 1200 beide Wörter sich treffen.

      Denn ursprünglich sprechen Engländer „laugh” genauso

aus wie Deutsche „lach”, das „gh” im Englischen tönt wie

das „ch” im Deutschen.

      Später wird der krächzende Kehllaut Engländern

zur Kröte im Hals, als müssten sie sich räuspern, “like you're

cleaning your throat”.


Symbol. Und Symptom.

„Ein Produkt kommt stets heraus, wo ein Mensch den

Mund auftut”, sagt der Mediziner, Psychologe und Philosoph

Karl Bühler, der 1934 seine Sprachtheorie veröffentlicht.

      Ein Produkt? Es scheint, das Produkt hat allerhand Facetten!

Und das Spektrum dieser Facetten ist’s, an dem

der Gründer des Psychologischen Instituts der Universität

Wien zeigt, was er als das Organonmodell der Sprache

bezeichnet.

      „Einer”, „der andere”, „die Dinge”: Sie sind

als Sender, als Empfänger, als Gegenstände und Sachverhalte

an der Situation unserer Kommunikation beteiligt.

      Und es gehört zu dieser Dreiecksbeziehung, dass jede

Äusserung zugleich für ihren Gegenstand ein Symbol, für ihren

Sender ein Symptom und für ihren Empfänger ein Signal

sein kann.

      Witz und Lachen fasst Bühler in seiner Sprachtheorie

kaum je ins Blickfeld, doch ist er dem Thema plötzlich sehr nah,

wenn er schreibt:

      „Abgeschwächt steckt immer noch deutlich etwas vom Tabu

in dem Gebrauch der Metapher zum Spott, zur Warnung,

zur Drohung. Zum Nichts wird dieses Etwas erst im spätesten

und höchsten Typus, in der ironischen und

schmeichlerischen Metapher.”

      Können wir auch das Lachen verstehen als Organon,

als Werkzeug unserer Kommunikation? Hat Lachen nicht auch Symbolcharakter? Hat nicht das Lachen auch

Signalfunktion? Ist es nicht auch Symptom, wenn ein Lachender

über sich selbst mehr aussagt, als ihm bewusst ist?


Lachen foutiert sich  

Allerdings stehen wir mit solchen Fragen inmitten

eines Spiegelsalons, dessen Zerrbilder sich jeder Enträtselung entziehen.

      Was immer wir für das Lachen anführen, das

unsere Kommunikation begleitet, welche Gründe oder

Hintergründe wir auch heranziehen, wir stossen

an die Wand eines Spiegels, die unser Angebot schlüssiger Erklärungen abprallen lässt.

      Lachen foutiert sich. Witz ist überall und nirgends.

Was für die Sprache gilt, das gilt erst recht für’s Lachen. Es ist

Mischwasser, es entzieht sich der Abstraktion.

      „Wer”, so merkt Bühler an, „alles durchmustert, was

wechselnd von Fall zu Fall den Standort und die Person des Angeredeten tatsächlich kennzeichnet, hat schliesslich

ein Aggregat von Umständen beisammen, die das Herz eines

Detektivs erfreuen mögen; aber irgendein konstantes

Moment, das überall vorhanden wäre, ist nicht darunter.”


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